Gedanken

Gedanken über Spaß und Verantwortung

am 08.08.2024

Er rennt los, hechelt mit heraushängender Zunge. Die felligen Beine wirbeln übermütig durcheinander, die hellblauen Augen leuchten starr vor Glück. Eine blaue Leine schleift achtlos hinter ihm durch das hohe Gras und durch das köcheltiefe Wasser, das der gesättigte Boden längst nicht mehr aufnehmen kann.

Er rennt über die Wiese, ungehalten und regellos.

Der Wind braust aufgebracht durch die panisch ausgebreiteten Flügel der zahllosen Störche, die sich auf der feuchten Wiese versammelt hatten. Aus vielen Dutzend weiß-schwarzen Statuen, die dort ohne Regung eindrucksvoll verharrten, während sie sich innerlich auf ihren langen, herausfordernden Flug vorbereiteten, werden aufgescheuchte Vögel. Der Himmel füllt sich mit flatternden Flügeln und verständnislosen Geschöpfen, die durcheinanderfliegen und sich eilig nach einem neuen Standort umsehen. Sie zehren von der Kraft, die sie doch nötig brauchen. Sie flüchten vor einem vermeintlichen Angriff.

Die Wiese ist bar der befrackten Statuen. Nur ein Hund rennt glücklich hechelnd durch das hohe Gras. Einer hatte Spaß. Dutzende andere hatten ihn nicht.

Die Entscheidung darüber, wer hier Spaß haben darf, traf ein Mensch. Ein Mensch, der seinen Hund auch glücklich hätte machen können, ohne unschuldige Tiere in sinnlose Angst zu versetzen. Und ohne seinem Hund noch Appetit auf Jagd zu machen. Verantwortungslos. Unnötig. Menschlich?

Gedanken über verlorenen Wert

am 04.07.2024

Der Abgrund auf meinem Tisch.

Eigentlich ist es nur eine Urkunde. Eine Urkunde zum 15-jährigen Dienstjubiläum. Eine Möglichkeit des Arbeitgebers, dem Mitarbeiter oder natürlich, wie in diesem, meinem, Falle der Mitarbeiterin, eine Wertschätzung entgegenzubringen, die im Alltag nur allzu häufig untergeht. Aber der Arbeitgeber, der Chef, ist weit und breit nicht zu sehen. Da liegt nur dieses Dokument. Dieses unscheinbare Dokument, das eigentlich etwas Schönes sein wollte. Nun liegt es auf dem Schreibtisch, halb begraben unter einer großen Tafel Schokolade.

15 Jahre. Kein Händedruck, kein freundlicher Satz, keine Wertschätzung. Nicht ein Funken Anerkennung oder Dank. Nicht einmal echte Wahrnehmung.

Nichts wäre besser gewesen. Nichts wäre nicht geheuchelt gewesen. Nichts hätte mich nicht frustriert oder demotiviert. Nichts wäre ich gewohnt gewesen. Ein Nichts an Persönlichkeit, an Menschlichkeit, an Wertschätzung, bin ich nach 15 Jahren gewohnt.

Aber das hier ist schlimmer als nichts. Es hat einen Akt der Anerkennung ad absurdum geführt. Es hat 15 Jahre voller Arbeit – unzählige Stunden meines Lebens – einfach lächerlich gemacht.

Keine Wertschätzung, sondern Gleichgültigkeit. Gleichgültigkeit gegenüber meiner Leistung und meiner Person. Auf dem Papier sieht das gut aus. In mir zerstört es den Willen, weiterhin hervorragende Arbeit zu leisten. Für wen? Für was? Es ist doch so offensichtlich egal.

Dabei hätte es einfach sein können. Eine Minute Zeit für einen Menschen. Für einen Arbeitnehmer, der 15 Jahre lang sein Bestes gegeben hat. Und mehr als das. Vielleicht zu viel.

Ich bin ausgelaugt. Zu oft stoße ich mit meiner Geduld an Grenzen, zu oft liegen die Nerven blank. Hier wird nur genommen, nichts gegeben. Und keine Änderung in Sicht.

Wieso ist es meine Aufgabe, mich ständig neu zusammenzusetzen? Mich neu zu motivieren, weil mir von oben wieder nur Enttäuschung vorgesetzt wurde? Warum geht es hier nie um die Menschen, immer nur um das gutaussehende Papier? Welch Heuchelei! Welch verlorene Jahre, welch vermasselte Wertschätzung und welch vergeblich erhoffte Menschlichkeit!

 

Und dann – Stunden später und völlig unerwartet – ein winziger Lichtblick im Nichts meines Arbeitsalltags. Sollte ich doch noch einmal hoffen…?

Gedanken über eine Wahl ohne Wahl

am 29.10.2023

Die Qual der Wahl zu haben wäre schön. Schon allein deshalb, um seiner Meinung Ausdruck verleihen zu können. Um sich für das eine, oder eben für das andere zu entscheiden. Um demokratisch abzustimmen. Und um wahlweise die eigenen Interessen in der einen oder der anderen zur Wahl stehenden Person vertreten zu finden.

Was genau ist eigentlich eine Wahl ohne Wahl? Sie ist genau das nicht mehr, was sie doch zu sein vorgibt. Und sie nimmt Freiheiten. Die der Meinung zum Beispiel. Und meint man dann etwas zu dieser Nicht-Wahl, dann wird auch das nicht gerne gesehen. Intoleranz und Ignoranz scheinen das Mittel der Wahl auf nicht-gewünschte Meinungsäußerung zu sein.

Eine Wahl ohne Wahl nimmt auch Mitsprache. Mitarbeitende werden zu wahllos Wiedergebenden von vorgekauten Vorstellungen. Gewünschte Wiederkäuer sozusagen. Und irgendwie nimmt sich die Wahl ohne Wahl damit auch die eigene Sinnhaftigkeit.

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Gedanken über eine Welt für sich

am 28.01.2024

Eine Karte. Noch eine Karte. Und noch eine. Sie reihen sich aneinander, klettern übereinander und formieren sich zaghaft. Sie wollen etwas erbauen, etwas erschaffen. Eine Karte und noch eine Karte. Zwei Karten, drei. Das ist das Haus vom … ein Kartenhaus. Sie halten sich aneinander fest, stützen sich gegenseitig und stehen schließlich Seite an Seite. Ein Kartenhaus, gebildet aus einzelnen Karten, gemeinsam erschaffen. Ein Kartenhaus, erbaut hinter Glas. Hinter einer gläsernen, schwarzen Fassade, durch die man nicht so recht blicken kann. Und auch hinter die Fassade zu blicken, erweist sich als schwierig. Einen Einblick erhalten nur die Karten selbst, da sie sich hinter dem Glas befinden. Einen kleinen Einblick. Den kleinsten.

Eine Karte, noch eine Karte und noch eine. Hinter dem verspiegelten Glas wiegen sie sich in einem Wind, den nur sie allein spüren können. Wenige Karten bloß sind es. Hin und wieder kommt eine neue hinzu, gelangt hinter das Glas und sucht sich eine Nische im Kartenhaus. Jede Karte festigt das Gebilde, stabilisiert es im scheinbaren Wind. Hin und wieder verschwindet auch eine der Karten. Recht plötzlich und unvorhersehbar entsteht eine Lücke, die von den anderen geschlossen werden muss. Es ächzt und knarzt im Gebilde, bis sich die Karten wieder neu zusammengefunden haben.

Eine Karte. Noch eine Karte. Und noch eine. Sie neigen sich einander zu und tauschen getuschelte Neuigkeiten aus. Der eingebildete Wind erscheint ihnen widerspenstig und frech.

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Gedanken in Trauer

am 18.05.2023

Da ist dieses Fehlen. Immer wieder, überall. Es liegt an dir. An deiner Abwesenheit. Da waren so viele kleine Dinge, so viele Selbstverständlichkeiten, die mit dir verschwunden sind. Einfach so, ohne Vorwarnung. Sie fehlen mit dir.

Deine Pfoten auf unserem Boden, deine bewegten und gewufften Träume. Deine freudvolle Begrüßung, deine Nähe. Deine Ruhe, deine Entspanntheit, deine Zufriedenheit.

Du warst immer da, ohne dich aufzudrängen. Mit dir war keiner von uns allein. Oder gar einsam.

Deine Anwesenheit war Trost und Freundschaft und unbedingte Zuneigung.

Mit dir ist ein Teil unserer Familie gegangen.

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