Gedanken über verlorenen Wert
am 04.07.2024
Der Abgrund auf meinem Tisch.
Eigentlich ist es nur eine Urkunde. Eine Urkunde zum 15-jährigen Dienstjubiläum. Eine Möglichkeit des Arbeitgebers, dem Mitarbeiter oder natürlich, wie in diesem, meinem, Falle der Mitarbeiterin, eine Wertschätzung entgegenzubringen, die im Alltag nur allzu häufig untergeht. Aber der Arbeitgeber, der Chef, ist weit und breit nicht zu sehen. Da liegt nur dieses Dokument. Dieses unscheinbare Dokument, das eigentlich etwas Schönes sein wollte. Nun liegt es auf dem Schreibtisch, halb begraben unter einer großen Tafel Schokolade.
15 Jahre. Kein Händedruck, kein freundlicher Satz, keine Wertschätzung. Nicht ein Funken Anerkennung oder Dank. Nicht einmal echte Wahrnehmung.
Nichts wäre besser gewesen. Nichts wäre nicht geheuchelt gewesen. Nichts hätte mich nicht frustriert oder demotiviert. Nichts wäre ich gewohnt gewesen. Ein Nichts an Persönlichkeit, an Menschlichkeit, an Wertschätzung, bin ich nach 15 Jahren gewohnt.
Aber das hier ist schlimmer als nichts. Es hat einen Akt der Anerkennung ad absurdum geführt. Es hat 15 Jahre voller Arbeit – unzählige Stunden meines Lebens – einfach lächerlich gemacht.
Keine Wertschätzung, sondern Gleichgültigkeit. Gleichgültigkeit gegenüber meiner Leistung und meiner Person. Auf dem Papier sieht das gut aus. In mir zerstört es den Willen, weiterhin hervorragende Arbeit zu leisten. Für wen? Für was? Es ist doch so offensichtlich egal.
Dabei hätte es einfach sein können. Eine Minute Zeit für einen Menschen. Für einen Arbeitnehmer, der 15 Jahre lang sein Bestes gegeben hat. Und mehr als das. Vielleicht zu viel.
Ich bin ausgelaugt. Zu oft stoße ich mit meiner Geduld an Grenzen, zu oft liegen die Nerven blank. Hier wird nur genommen, nichts gegeben. Und keine Änderung in Sicht.
Wieso ist es meine Aufgabe, mich ständig neu zusammenzusetzen? Mich neu zu motivieren, weil mir von oben wieder nur Enttäuschung vorgesetzt wurde? Warum geht es hier nie um die Menschen, immer nur um das gutaussehende Papier? Welch Heuchelei! Welch verlorene Jahre, welch vermasselte Wertschätzung und welch vergeblich erhoffte Menschlichkeit!
Und dann – Stunden später und völlig unerwartet – ein winziger Lichtblick im Nichts meines Arbeitsalltags. Sollte ich doch noch einmal hoffen…?
Gedanken über eine Wahl ohne Wahl
am 29.10.2023
Die Qual der Wahl zu haben wäre schön. Schon allein deshalb, um seiner Meinung Ausdruck verleihen zu können. Um sich für das eine, oder eben für das andere zu entscheiden. Um demokratisch abzustimmen. Und um wahlweise die eigenen Interessen in der einen oder der anderen zur Wahl stehenden Person vertreten zu finden.
Was genau ist eigentlich eine Wahl ohne Wahl? Sie ist genau das nicht mehr, was sie doch zu sein vorgibt. Und sie nimmt Freiheiten. Die der Meinung zum Beispiel. Und meint man dann etwas zu dieser Nicht-Wahl, dann wird auch das nicht gerne gesehen. Intoleranz und Ignoranz scheinen das Mittel der Wahl auf nicht-gewünschte Meinungsäußerung zu sein.
Eine Wahl ohne Wahl nimmt auch Mitsprache. Mitarbeitende werden zu wahllos Wiedergebenden von vorgekauten Vorstellungen. Gewünschte Wiederkäuer sozusagen. Und irgendwie nimmt sich die Wahl ohne Wahl damit auch die eigene Sinnhaftigkeit.
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