Gedanken

Gedanken über das Miteinander

am 25.04.2018

Es war Juli und ein Montag, als das Unfassbare geschah. Er ging gerade gemütlich durch seinen Vorgarten, so wie er das mehrmals am Tag tat und da sah er sie, die Trolle. Es waren eine Trollfrau und ihr Trollmann, die in das kleine Häuschen neben seinem eigenen einzogen. Lachend. Freudestrahlend. Regungslos beobachtete er das merkwürdige junge Paar, das ihm so unbeschwert zu sein schien. So unerfahren. So anders.

 

Anfänglich änderte sich gar nicht so viel, wie er befürchtet hatte. Obwohl sie doch Trolle waren, versuchten sie sich in Freundlichkeit und man redete miteinander. Ab und zu. Über den Gartenzaun hinweg. Die Trolle bekamen ein Trollkind und noch immer war alles irgendwie in Ordnung. Musste ja in Ordnung sein.

Obwohl ihm da schon auffiel, dass er sehr wohl von Anfang an recht gehabt hatte. Die Trolle waren anders. Sehr sogar. Während er großen Wert auf einen gepflegten, makellosen Garten legte, in dem nur wirklich das wuchs, was er wollte und was er erlaubte, bevorzugten die Trolle es natürlich. Natürlich! Er schüttelte fassungslos seinen Kopf. Natürlich war für ihn die Natur, nicht der Garten. Und selbst der Natur hatte es seiner Meinung nach noch nie geschadet, wenn der Mensch ihr sagte, wo was zu sein hatte.

Dabei war es gar nicht so, dass die Trolle ihren Garten einfach so weiterwachsen ließen, wie er das mehrere Jahre – oder Jahrzehnte – lang gedurft hatte. Im Gegenteil. Stück für Stück nahmen sie sich dem Garten an und gaben ihm die Richtung vor, die sie gerne gehabt hätten. Nur diese Richtung… wie konnte man sich dermaßen in die falsche Richtung bewegen? Wenn sie den bis dahin sowieso nur vor sich hinwachsenden Garten schon umgestalteten, warum verwandelten sie ihn dann nicht in einen richtigen Garten? Einen Garten, so wie er sich nun mal gehörte? Stattdessen verwendeten sie dieses unzuverlässige Material, das sich Holz nannte, das nicht für die Ewigkeit war und dessen zugegebenermaßen recht nette Anfangsfarbe schon nach wenigen Monaten in ein äußerst ungepflegtes natürliches Grau überging. Anschließend pflanzten sie Sträucher und Bäume, die doch tatsächlich im Winter die Blätter verlieren und somit einen Haufen Dreck machen würden. Und warum verwendeten sie nicht wenigstens diese neuen gezüchteten Pflanzen, die nicht so groß wurden und wunderschön blühten? Warum mussten es denn einheimische, natürliche Pflanzen sein? Etwa für die Insekten? Die Vögel? Er kratzte sich beunruhigt den Kopf. Die konnten sich doch sicher auch aus dem nahen Wald bedienen!

Inzwischen war die Freundlichkeit zwischen den Trollen und ihm schon einer gewissen Reserviertheit gewichen. Er wusste nicht, wieso. Schließlich hatte er sie noch nie direkt auf die Dinge angesprochen, die ihn so störten. Er beobachtete sie zwar ab und zu, wenn er seinen eigenen Vorgarten inspizierte und manchmal rutschten ihm auch in einem unbedachten Moment lautstark Kommentare heraus, die zugegebenermaßen wenig freundlich und höchst vorwurfsvoll waren, aber die wurden doch wohl im Nachbargrundstück nicht gehört, oder?

Und dann dieses Feuer, das bei schönem Wetter immer mal wieder in dem benachbarten Garten brannte. Er hatte gar nicht gewusst, dass Trolle das Feuer so gern hatten. Wie es aussah, bereiteten sie ihr Essen in diesem Feuer. Und sie tranken. Und sie lachten. Und sie waren gesellig. Wie konnten sie nur! Er bekam davon nur immer diesen Rauch ab, der ihn husten ließ während er seinen bedeutsamen Rundgang durch seinen Vorgarten machte.

Doch das Schlimmste sollte erst noch kommen. Die Trolle bauten eine Wand. Na schön, zugegeben, man war nicht mehr so gut befreundet miteinander, dazu waren sie einfach zu verschieden, aber eine Wand? Wie sollte er jetzt noch feststellen können, ob im benachbarten Grundstück auch alles mit rechten Dingen zuging? Und dann war diese Wand auch noch aus Holz! So passte sie gar nicht zu seiner eigenen betonierten Mauer, die beide Grundstücke so überaus akkurat trennte! Verärgert stand er in seinem Garten und blickte an der für ihn neuen Grenze entlang. Na schön, es sah jetzt schon irgendwie aufgeräumter aus. Was war hier doch gleich zuvor gewesen? Eine ungepflegte Hecke? Ein paar Stauden, die unter der Hecke zu wenig Licht bekamen? Und Unkraut. Jede Menge Unkraut. Die Trolle nannten es Girsch. Angeblich konnte man es sogar essen. Aber er nannte es Unkraut. Wie alles, was in einem Garten nichts zu suchen hatte. Hinter der hölzernen Wand lag nun ein Gemüsegarten. Mit Beerensträuchern. Das war schon gut, fand er. Auch wenn es nicht seine Art von Gemüsegarten war. Seiner war nicht so natürlich. Aber dennoch empfand er sich ausgeschlossen. Er war nicht gefragt worden. Er hatte nicht erlaubt, dass seine Trollnachbarn sich so abgrenzen durften. Es war einfach unfassbar! Immer noch verärgert wandte er sich von der hölzernen Barrikade ab und seinem Haus zu. Um sich zu beruhigen, ließ er den Blick über seinen eigenen Garten wandern. So schön. So akkurat. Alles da, wo es sein sollte. Und wenn nicht… drohend hob er die kleine Gartenschere, die er immer bei sich trug. Sie war sein Werkzeug. Er spürte, wie er tatsächlich etwas ruhiger wurde, als er seinen eigenen Grund und Boden zufrieden betrachtete. Zufrieden und stolz. Vielleicht war es gar nicht so schlimm, wenn er von den Trollnachbarn nicht mehr gar so viel mitbekam? Ihm ging es doch hier, in seinem eigenen Garten, ganz hervorragend. Und es ging ihm möglicherweise besser, wenn er sich nur darauf konzentrierte und sich nicht über die unnatürliche Natürlichkeit des Nachbargartens aufregte. Sollte ihm das hier nicht genug sein?

Der Gartenzwerg schüttelte den Kopf. So einfach lagen die Dinge nun mal nicht. Er war hier schon lange ansässig. Er wusste, war richtig und was schön war. Er hatte viel mehr Erfahrung. Diese jungen Trolle, die plötzlich alles anders machen wollten… Wieder schüttelte der Gartenzwerg den Kopf. Er konnte das nicht einfach so hinnehmen. Er musste ihnen den richtigen Weg, seinen Weg, zeigen. Entschlossen stapfte der Gartenzwerg in Richtung seines Hauses. Ein Brief wäre gut. Ein Wegweiser. In dem konnten die Trolle dann jeden einzelnen Punkt nachlesen, der nicht zu dem passte, was angemessen war. Er würde all das auflisten, was zu natürlich war. Zu gesellig. Und alles andere, was ihm auf die Nerven ging.

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