• Unzählige Welten, die überall und nirgends vom Schicksal gelenkt werden. Eine Prophezeiung, die erfüllt werden muss. Zwei unglücklich Liebende, die einander entrissen wurden. Und inmitten all dieser unglaublichen Missstände - ich.
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Kapitel 3 - Eine unglaubliche Geschichte

Als ich mich wieder dazu in der Lage fand, meine Umgebung wahrzunehmen, herrschte immer noch Dunkelheit. Doch dies war eine Dunkelheit, mit der ich etwas anfangen konnte. Der Himmel zeigte sich zu meiner vollkommenen Überraschung klar und wolkenlos. Und in dem Licht, das von unzähligen Sternen aus der Ferne zu uns herabgesandt wurde, erblickte ich zu meinen Füßen einen Ozean, dessen unendliche Weite in erheblichem Gegensatz zu dem Gefühl der Befangenheit stand, das mich vor kurzem noch in dem nächtlichen Wald in Besitz gehabt hatte – auf der anderen Seite des Kaugummis.

Wie vor den Kopf geschlagen stand ich da und ließ den majestätischen Anblick auf mich wirken. Die dunkelblauen Wogen des Ozeans trugen hellgraue Schaumkronen, derer sie sich gewaltsam entledigten, indem sie sie grollend gegen die Felsen zu unseren Füßen schmetterten. Weiter draußen vermittelte das Meer den Eindruck eines brausenden dunklen Spiegels, der das verzagte Licht der Sterne einfing, nur um es ablehnend erneut hinaufzuschicken in die ewigen Weiten des nächtlichen Himmels.

So gefangen war ich von dem unerwarteten Anblick, dass ich nicht bemerkte, wie der Troll meine Hand in die Freiheit entließ und sich auf einen Felsvorsprung setzte. Meine Augen wanderten von dem widerwillig glitzernden Ozean zu den munteren Leuchtgefährten, die über uns glänzten. Erwartungsvoll glitten sie über die blinkenden Punkte auf der Suche nach …

„Wo ist der Mond?“, durchbrach meine Frage die stürmische Weite des nächtlichen Ozeans.

Als keine Antwort erfolgte, blickte ich mich um. Mein Begleiter hatte das Kinn auf seine großen Hände gelegt und sah gedankenverloren hinaus aufs Meer. Der Ausdruck auf seinem Gesicht spiegelte eine tiefempfundene Traurigkeit wider, die ich mir nicht erklären konnte.

„Wo ist der Mond?“, wiederholte ich meine Frage teils aus Sturheit, teils aus einem unbestimmten Gefühl heraus, dass ich darauf eine Antwort benötigte.

Der kleine Kerl wandte sich mir zu und blickte mich an.

„Sie ist in Trauer“, meinte er leise.

Mein verwirrter Gesichtsausdruck musste wohl für sich gesprochen haben, denn ohne dass ich etwas zu sagen brauchte, machte sich der Troll an die Erklärung seiner Antwort.

„Vor drei Monaten ist die Tochter des Mondes spurlos verschwunden. Deshalb kam ich zu dir. Du bist Teil einer Prophezeiung, die besagt, dass niemand aus unserer Welt die Tochter des Mondes finden wird. Nur ein Mensch vermag dies.“ Seine Mundwinkel hoben sich ganz leicht, als er, halb im Scherz, hinzufügte: „Ein Mensch in einem gelben Mantel.“

Sprachlos starrte ich den Troll an. Meine Gedanken kreisten um die Bemerkung mit dem gelben Mantel, bis ich mir der ganzen Tragweite des Gehörten bewusst wurde.

„Ich bin Teil einer Prophezeiung?“, vergewisserte ich mich ungläubig. „Und ich soll die Tochter des Mondes finden?“

Mein Begleiter nickte wortlos. Sein Gesichtsausdruck verriet mir, dass er mich für schwer von Begriff hielt. Genau das hatte er mir doch soeben mitgeteilt. Ohne etwas darauf zu geben, schwieg ich und versuchte, das Gehörte zu verarbeiten. Noch einmal sah ich hinauf zum mondlosen Sternenhimmel. Dann fuhr mein Blick über den Ozean und die Felsen.

„Wo sind wir denn eigentlich?“

Die buschigen Augenbrauen des Trolls gingen nach oben und er warf mir einen misstrauischen Blick zu. „Überall und nirgends“, erinnerte er mich geduldig.

Ich nickte. Natürlich. Wie hatte ich das nur vergessen können.

„Und wenn wir die Tochter des Mondes gefunden haben …“, begann ich erneut. Der kleine Kerl unterbrach mich.

„Nicht wir“, stellte er klar. „Du.“ Diesmal waren es meine Augenbrauen, die sich hoben.

„Wie bitte?“, erkundigte ich mich höflich. „Soll ich diese Aufgabe etwa ganz allein bewältigen? Wo ich doch in überall und nirgends fremd bin?“

Der Troll sah mich ruhig an. „Hilfe wird dir zur rechten Zeit zuteil werden.“

Meine Augenbrauen rutschten höher. Aber ich verspürte wenig Lust, mir weitere kryptische Hinweise einzuhandeln. Also besann ich mich auf meine eigentliche Frage.

„Wenn ich also die Tochter des Mondes gefunden habe“, formulierte ich sie ein wenig um, „wird dann der Mond wieder scheinen?“

Es sah fast so aus, als würde sich mein Begleiter nun auch fragen, ob ich dieser Mission tatsächlich alleine gewachsen war. Sein Blick wanderte langsam über meine ganze Gestalt und erst als er wieder bei meinem Gesicht angekommen war, bequemte er sich zu einer Antwort. Einer Antwort, die er ganz offenbar für überflüssig hielt.

„Die Nachtbewahrerin wird wieder scheinen, sobald sie keinen Grund mehr zur Trauer hat.“

Oha. Konnte ich da tatsächlich einen Hauch von Ungeduld heraushören? Fast freute es mich, dass mir dies gelungen war. Fast. Denn eigentlich war ich in Gedanken immer noch mit dieser weiteren Aussage beschäftigt, dir mir meine Frage nicht wirklich beantwortete.

Dennoch nickte ich ernsthaft und tat so, als würde mir dieser eine Satz nun all das erklären, was zuvor noch unverständlich gewesen war. Ein seltsames Gespräch war es, das ich mit einem Troll unter dem mondlosen Sternenhimmel vor der glitzernden Weite des rauschenden Meeres führte!

Mein Begleiter nahm mein besonnenes Nicken mit einem erleichterten Seufzer zur Kenntnis und erhob sich von dem Felsen, auf dem er bis dahin gesessen hatte.

„Dann wäre ja alles geklärt“, stellte er fest und wandte sich zum Gehen. Ich erschrak.

„Warte!“, rief ich mit nicht mehr ganz so überzeugender Gelassenheit.

Der Troll blieb stehen und sah mich fragend an. Ich hob die regennassen, von einem gelben Mantel bedeckten Schultern und warf ihm einen hilflosen Blick zu.

„Wo fange ich mit der Suche an?“

Der kleine Kerl erlaubte sich ein schiefes Grinsen. Er sah aus, als vermutete er, ich hätte einen Scherz gemacht.

„Na, bestimmt nicht in Meerwasser. Wenn ihre Tochter sich noch hier aufhalten würde, wüsste es die Nachthüterin.“ Er tat so, als würde er kurz nachdenken und schlug dann vor: „Wie wäre es mit Flussufer, Baumwald oder Grasland?“

Er wandte sich um und stapfte auf seinen bloßen Füßen davon. Ich starrte ihm nach, innerlich mit mir ringend, ob ich ihn ein weiteres Mal aufhalten sollte. Da drehte er sich noch einmal um. Ich atmete erleichtert auf.

„Viel Glück!“, rief mir der Troll zu, bevor er einen Satz machte und von einem Augenblick auf den anderen verschwand. Ich war allein – überall und nirgends.

Einblicke in SONNE, MOND und TROLL

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