Gedanken

Gedanken über einen Omnibus

am 23.04.2014

Ein paar Gedanken über das Leben, den Alltag und einen Omnibus. "Omnibus" - sagt das heute eigentlich noch jemand? Hab ich ewig nicht mehr gehört, das Wort ... 

 

Das Leben ist wie ein Omnibus,
auf den man immer warten muss.
Und kommt er endlich angewetzt,
dann ruft der Schaffner: „Schon besetzt!“


Das ist einer der Sprüche, die wir uns früher gegenseitig in unsere Poesie-Bücher geschrieben haben. 

Deprimierend – und doch so wahr. Vermutlich fanden wir das damals einfach nur lustig. Oder haben wir auch schon als Kinder ständig auf irgendetwas gewartet? Auf Weihnachten, den Geburtstag, die nächste Schulaufgabe, das Wochenende, an dem wir uns mit Freunden treffen wollten?


Momentan stehe ich erneut an einer Bushaltestelle, die meinem Alltag auf erschreckende und zugleich vertraute Weise ähnelt. Ich setze mich auf die ungemütliche hölzerne Bank, die von Brandmalen und Kritzeleien übersät ist. Bunte Gemälde von zweifelhaft künstlerischer Herkunft bedecken auch die Wände. Eine kleine Ablenkung in dem düsteren und heruntergekommenen Häuschen, die ich dankend annehme. Wie lange ich die unterschiedlichen Bilder und Sprüche ansehe, weiß ich nicht. Sie sind mein Fluchtweg aus dem Alltag, das Sprungbrett für meine Fantasie. Trotzdem darf ich darüber nicht meinen Alltag vergessen. Und das Warten. Das Warten ist wichtig. Oder ist mein Alltag wichtig?  

Von allen Seiten hört man immer wieder, wie bedeutsam es ist, Pläne zu machen. Pläne für die Zukunft. Pläne für unser Leben. Niemand sagt uns, dass wir auch den Augenblick genießen sollten. Uns so etwas zu sagen, wäre verantwortungslos und würde uns im Leben nicht voranbringen. Dabei sind es vor allem die kleinen alltäglichen Dinge, die unser Leben lebenswert machen. Wenn wir es schaffen, sie wahrzunehmen und uns an ihnen zu erfreuen, dann können wir glücklich werden. Glücklich mit dem Jetzt. Mit dem Hier. Und nicht mit dem, was vielleicht auf uns wartet, wenn nur endlich dieser verflixte Bus käme, um uns mitzunehmen.


Anstatt meinen kompletten Alltag zu einer Bushaltestelle umzubauen, sollte es einfach einen Omnibus geben, der dann kommt, wenn es soweit ist. Und der keine Bushaltestelle braucht, um mich aufzusammeln und mitzunehmen, sondern der sich einfach spontan in mein Leben mogelt. Er würde ganz unerwartet neben mir zum Stillstand kommen, seine Türen würden sich einladend öffnen und drinnen wäre noch genau ein Platz frei – mein Platz. Und dann würde mich der Omnibus wie ein guter Freund zur nächsten Station meines Lebens bringen. Ohne dass ich auf ihn hätte warten müssen. Ohne dass ich mein Leben auf seinen Fahrplan hätte abstimmen müssen.


Aber da ich noch nicht herausgefunden habe, wie man einen Omnibus abrichtet und es auch nicht schaffe, mich einfach mit Omnibusvertrauen darauf zu verlassen, dass er schon zur richtigen Zeit auftauchen wird, stehe ich eben wieder an dieser Bushaltestelle. Es ist nicht einmal so, dass ich nur auf einen Bus warte. Eigentlich sind es gleich mehrere, die endlich einmal vorbeikommen und mich mitnehmen könnten. Wohin? Zur nächsten Station meines Lebens. Zu einer Station, die natürlich viel wichtiger und viel schöner ist als die, an der ich momentan stehe. Dort könnte ich endlich so richtig glücklich werden und absolut sorgenfrei leben – ganz sicher.


Ich träume davon, endlich in einem dieser Busse zu sitzen und voranzukommen. Ich würde aus dem Fenster sehen, das Leben – mein Leben – ginge weiter, der Omnibus würde auf die nächste Haltestelle zurollen und noch bevor er richtig zum Stillstand gekommen wäre, fiele mein Blick auf einen Bus, der eben von dieser Haltestelle aus losfahren würde. 

Unerreichbar für mich. Und genau in die Richtung, in die ich auch gewollt hätte. Zur übernächsten Station meines Lebens.

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