Gedanken

Gedanken über das Leben im Kleinen

am 11.08.2015

Wann habe ich mich eigentlich dazu entschlossen, ein sesshaftes Leben zu führen? Bin ich irgendwann morgens aufgewacht, habe meinen verblassenden Träumen nachgespürt und gemerkt, dass ich zufrieden bin, so wie es ist? Dass ich nicht nach fernen Abenteuern oder unbekannten Welten streben muss, um irgendwann irgendwo anzukommen? Dass ich längst angekommen bin?

 

Ein fester Beruf, eine dauerhafte Bleibe, das gemeinsame Leben mit dem Menschen, den ich liebe. Das sind alles Dinge, die ich mir früher nie vorstellen konnte. Früher, als ich noch jung war.

Waren die Vorstellungen, die mich so lange Zeit begleitet haben – von Veränderungen, Reisen, einer Geschichte, die nie auch nur einem einzigen Handlungsstrang folgt – nur die abwegigen Träume eines unwissenden Kindes oder eines wissbegierigen Jugendlichen? Wollte ich mich differenzieren von der Vorstellung, prinzessinnengleich in einem Turm zu hausen und auf den Ritter in schillernder Rüstung zu warten, der vielleicht irgendwann einmal zufällig des Weges käme und es auch noch als Ehre ansähe, das märtyrerhaft weggesperrte Geschöpf, das ich unglücklicherweise wäre, zu erretten? Wollte ich stattdessen die Heldin mit Rüstung und Armbrust sein, die ihre Zukunft schlicht und ergreifend selbst in die Hand nimmt und ihren Pfeil in das Herz des Mannes schießt, den sie sich selbst gesucht und erwählt hat?

War es die Furcht vor einer fremdbestimmten Existenz, die es mir versagt hat, an ein sesshaftes, beständiges Leben auch nur zu denken? Oder war es die Angst davor, etwas zu verpassen? Irgendetwas unheimlich Wichtiges und Aufregendes, das nur dort draußen in der weiten Welt geschehen konnte aber niemals im Kleinen direkt vor der eigenen Haustür? Befürchtete ich, nicht wirklich zu leben, nur weil ich nicht woanders lebte?

Den Moment, in dem ich begriffen habe, dass ich nicht viel – und auch nichts Fernes – brauche, um die kleinen, doch so bedeutsamen Augenblicke des Angekommenseins zu erleben und zu genießen, habe ich verpasst. Doch ich bin froh, dass es ihn gab. Ich bin froh, dass er mich darauf aufmerksam gemacht hat, dass man in seinem Streben auch einmal zur Ruhe kommen muss. Dass man sich Zeit nehmen sollte für die wichtigen kleinen Dinge. Für Dinge, die man tagtäglich um sich hat und als selbstverständlich ansieht. Für Dinge, die – wenn man sich nur zurücklehnt und sie sich bewusst macht – weltbewegend sein können. Im eigenen kleinen Leben. In der Zufriedenheit des Moments.

Mein Ritter und ich (die Prinzessin? die Heldin? - egal!) haben uns gegenseitig gefunden und sind in den Kleinigkeiten glücklich, die tagtäglich unser Leben direkt vor unserer Haustür – und natürlich auch im Haus – bereichern. Widrigkeiten können überall und zu jeder Zeit auftreten. Unerwartet, rücksichtslos, zerstörend. Aber wenn man es nicht schafft, ihnen gemeinsam zu begegnen, wenn man es nicht schafft, sich von Zeit zu Zeit auch wieder auf die Dinge zu konzentrieren, die es wert sind, weiterzumachen, denen Zufriedenheit, Gemeinsamkeit, Freude und vielleicht sogar Glück innewohnen, was bleibt einem dann noch? Verzweiflung?